Link zu... Andere literarische Projekte

HOME
PRESSE
RUNDFUNK
LESERMEINUNGEN
UND
VERRISSE
LESUNGEN
GESPRÄCHE
Carlo Schäfer
GÄSTEBUCH
Eintrag schreiben
Einträge lesen


  E-MAIL LINKS SITEMAP IMPRESSUM

Essay "40 Jahre Tatort"

Wo waren Sie am Sonntagabend?
...
Manchmal ist der Sonntagabend für den Krimiautor schmerzlich: Jenseits jeder Logik oder ohne die Grundregeln des Genres zu beachten, werden da aufwändig inszenierte Geschichten gezeigt. Und plötzlich stört sich niemand an Ungereimtheiten: Gerichtsmediziner und Polizist sind gleichzeitig Vermieter und Mieter, eine ganze Kleinstadt verschreibt sich dem Satanismus und Ludwigshafen ist ein Barockjuwel mit Autokennzeichen MA. Wenn in einem meiner Bücher auch nur ein Straßenname falsch ist, habe ich einen pensionierten Oberstudienrat im Nacken. Was also stimmt uns beim Tatort so gnädig?

1. Der Tatort gehört zur Familie, und wir sind es gewohnt, dass man Familienmitgliedern eine Menge verzeihen muss.

2. Der Tatort kommt zum schlimmsten Zeitpunkt der Woche, nämlich am Sonntagabend, und irgendwie schafft er es, uns von unserer Wochenend-Enddepression abzulenken. Und sei es deshalb, weil er uns ärgert.

3. Vielleicht nicht allzu oft, aber immer wieder ist er eben auch richtig gut, der gute alte Tatort. Ein Teil der Spannung verdankt sich der bangen Frage: Wie wird er heute?

Er ist nicht so trendy wie „ CSI “, nicht so depressiv wie „ Wallander “, selten richtig gruselig, kaum je absolut langweilig und eigentlich nie geschmacklos. Mal abgesehen von manchen musikalischen Beigaben vielleicht – „Midnight Lady“ war wirklich bitter.

Der Tatort entzieht sich einfach allzu strengen Kriterien, denn er hat die meisten seiner Kritiker längst überlebt. Das spüren auch die, die ihm heute zu Leibe rücken:
Den kriegen wir nicht klein.
Warum denn auch? Im Rückblick über die Jahrzehnte tauchen einfach zu viele Bilder im Kopf auf, an denen man hängt: Klaus Schwarzkopf alias Kommissar Finke aus Kiel, der seinem Assistenten das Schnitzel wegisst; Michael Fitz’ freche Nebenrolle als Carlo Menzinger im Tatort aus München; der ölige Gerichtsmediziner Professor Boerne und seine kleinwüchsige Assistentin Silke „Alberich“ Haller aus Münster; ganz früher Hansjörg Felmy als Essener Kommissar Heinz Haferkamp : So ich den Schlafanzug rechtzeitig anhatte, durfte ich seine Tatort-Episoden zur Hälfte sehen, „weil der ja ein wirklich guter Schauspieler ist. Aber um neun bist du im Bett.“ Und natürlich Schimanski mit seinem Kollegen Thanner. Der ewige Assistent des tollen Duisburg- Rambos war mir der liebste. Das geht wohl nicht nur mir so: Im ersten Saarbrücken- Tatort hatte er einen Gastauftritt. Am folgenden Montag war germanistisches Hauptseminar an der Uni. Welches Thema dort anstand, weiß ich nicht mehr, aber dass wir uns alle über Thanners überraschenden Auftritt gefreut haben, steht mir noch klar vor Augen. In Heidelberg und Mannheim sind sogar Kneipen nach ihm benannt.

...
Ich würde gerne mal einen Tatort schreiben. Zwei Dinge gäbe es in meinem Sonntagabend-Krimi aber sicher nicht: Affären zwischen Ermittlern und Verdächtigen, das ist einfach furchtbar unwahrscheinlich, und einen Meisterkoch in Uniform. Dessen Dasein wäre auch beim tausendsten Versuch nicht glaubhafter. Stattdessen wäre es ein Heidelberg-Tatort! Mit Schloss, Kampfkunstjapaner, amerikanischem Waffenschmuggler und sexy Studentinnen. Demnächst vielleicht. Sonntagabend, Viertel nach acht.
...


Quelle: VRN Hin & Weg/Heft 19/Herbst/Winter 2007/2008
Transparentes Bild
Transparentes Bild
HOME
© Carlo Schäfer
Letzte Änderung: 02.06.2008 10:12
E-Mail an ... Webmaster
Design: Link zu... Link zu ... rialida.de